Denkwürdiges Rennen bei mörderischen Temperaturen
28./29. SEPTEMBER
Stefan Thoms gewinnt den Spartathlon 2012
deutschen Medien geradezu
totgeschwiegen. Alle Teilnehmer
organisieren ihren Start rein privat,
bezahlen auch die Flüge selbst!
Stefan Thoms von der
Sportvereinigung Woltersdorf bei
Berlin hat sich 2012 erst zum zweiten
Mal zum Spartathlon eintragen
lassen. Er erreicht als Vierter den
Kontrollpunkt 40 beim Kilometer
139,8 im Weindorf Malandreni. Noch
sind es reichlich 100 km bis zum Ziel.
Er hat sich sein Rennen klug
eingeteilt, ist nicht dem hohen Tempo
des bis dahin führenden Daniel
Oralek gefolgt. Thoms macht einen
starken Eindruck. Ohne Hektik gönnt
er sich eine kleine Pause. Danach -
Kopflampe auf und ‘raus in die Nacht,
die noch schwere Abschnitte bringen
wird, wie beispielsweise die antike
“Odos Klimax”, eine alte Bergstraße,
die bis fast 1100 Meter hinauf in die
Berge führt. Bis dorthin überholt er
lediglich die Britin Hawker, die einen
Platz vor ihm in Malandreni war. So
(Bild unten - zum Vergrößern
anklicken) sieht die “Odos Klimax” bei
Tage aus. Nun stellt euch
stockfinstere Nacht vor und nur eine
Kopflampe zur Beleuchtung! Schon
der Aufstieg ist abenteuerlich, der
Abstieg über Geröll und Schotter
dagegen halsbrecherisch!
Der Wetterbericht hatte nicht gelogen: Die vorhergesagten 35 Grad wurden locker erreicht. Michael Vanicek, im Ziel
Platz 6, sagte, er habe unterwegs auf einer elektronischen Anzeige 38 Grad gelesen. “Es war die Hölle!” Als ich ihm
in Malandreni zurief, er liege auf Platz sieben, meinte er: “Platzierung spielt heute keine Rolle!”
Von den 310 an der Akropolis gestarteten Teilnehmern aus 34 Ländern überstanden 138 nicht die ersten 80
Kilometer! Eine solch hohe Ausfallquote gab es seit vielen Jahren nicht mehr. Alle Teilnehmer sind Strapazen
gewohnt, müssen, bevor sie beim Spartathlon starten dürfen, mindestens einen erfolgreich absolvierten 100-km-
Lauf und mehrere Marathonläufe nachweisen. Die Deutschen stellten wie immer ein großes Kontingent - nach den
Japanern (70) und den Griechen (48) waren sie mit 43 Teilnehmern, darunter 5 Frauen, vertreten. Ins Ziel kamen in
der Normzeit von 36 Stunden nur 72 Teilnehmer, dabei sieben Deutsche. Die Jury gibt dann immer noch ein paar
Minuten zu und akzeptiert zumindest für das nächste Jahr die Anmeldung. Die Deutschen waren in diesem Jahr mit
den Plätzen 1, 6, 15, 19 nicht ganz so zufrieden wie im vergangenen Jahr als sie die Plätze 3, 4, 9, 10 und 11
belegten, aber dafür stellten sie nach 2004 und 2005, als Jens Lukas gewann, wieder einmal den Sieger! Um die
Teilnahme kümmert sich übrigens kein Deutscher Leichtathletikverband, und das Top-Ereignis wird von den großen
Daniel Oralek ist der tragische Held des diesjährigen Spartathlon. Er kam als Erster mit 39 Minuten Vorsprung in
Malandreni an, schien aber schon hier total ausgepumpt, klagte über Schmerzen im linken Bein - eine alte
Verletzung. Er nahm ärztliche Hilfe in Anspruch, kämpfte weiter. Zwischenzeitlich fiel er bis auf den 16. Platz
zurück, aber er gab nicht auf. Im Ziel hatte er sich wieder bis auf Platz 11 vorgekämpft! Heldenhaft, eines
Spartathleten würdig!”
Tetsuo Kiso, der drahtige Japaner,
machte nach 140 Kilometern einen
sehr frischen Eindruck, aber auch er
half sich ein paar Pillen ein für die
kommenden Strapazen. Von Anfang an
immer vorn zu finden, lieferte er sich
mit Oralek einen packenden Kampf,
ließ sich aber nicht von seinem Kurs
abbringen, als Oralek davonzog. Dies
zahlte sich in der Endabrechnung aus.
Er wurde Zweiter.
Eine glänzende Premiere beim
Spartathlon feierte Lizzy Hawker, die
Ozeanologin aus Groß Britannien, die
in der Schweiz lebt und arbeitet. Sie
hat schon in der ganzen Welt von sich
Reden gemacht. Sie joggte auch
schon mal locker am Fuße des Mount
Everest, ist vielfache Siegerin
schwerster Gebirgsläufe. Die 36jährige
war zum ersten Mal beim Spartathlon dabei und beeindruckte mit einer großen Leistung. Sie “mischte” sozusagen
fast das gesamte Männerteilnehmerfeld auf und kam in der Endabrechung auf einen gefeierten dritten Platz,
wobei sie nur 34 Minuten hinter dem Sieger blieb und eine neue Bestleistung für Frauen aufstellte. Konzentriert
bespricht sie mit Graham Doke, ihrem Betreuer, anhand des Streckenprofils den weiteren Verlauf. Sie weiß, dass
in Kürze der schwerste Anstieg des gesamten Rennens folgen wird. Dort wird sie als Extrem-Bergläuferin voll in
ihrem Element sein. Markus Thalmann, der Herzchirurg aus Wien, ist in Malandreni ein alter Bekannter. Er hat seit
2002 nur einmal nicht am Spartathlon teilgenommen, war 2003 Sieger, und seine “schlechtesten” Platzierungen
waren zwei sechste Plätze und ein achter! Alle kennen hier den freundlichen Doktor und geben ihm gute Wünsche
auf den Weg. In diesem Jahr wird Markus auf Platz vier landen - eine makellose Bilanz!