Eine Grenze, die noch viele Geheimnisse birgt...
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Grenzstein 208 in den Rhodopen zwischen Griechenland und Bulgarien. An dieser Grenze herrschte fast 60 Jahre Krieg. Von beiden Seiten wurde gegen Grenzverletzer erbarmungslos von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Bis heute künden Panzersperren auf griechischer Seite von einer latenten Angstneurose vor einem vermeintlichen Überfall der “Russen”. An dieser Grenze wurden nach bisherigen Erkenntnissen 339 Bulgaren und vermutlich 36 Ausländer erschossen, von denen die meisten DDR-Bürger gewesen sein dürften. Bis heute gibt es keine exakten Angaben darüber. Der damalige bulgarische Verteidigungsminister Dimitar Ludschew sprach 1992 von “großen Verbrechen”, die an dieser Grenze begangen wurden. Nach inoffiziellen bulgarischen Angaben fanden hier 18 DDR-Bürger den Tod. Andere Quellen sprechen von 90 bis 100. Zahlen, die bisher aber durch nichts zu belegen sind. Unabhängig davon war jedes Todesopfer eines zuviel. Vorwiegend junge Menschen liefen in den Tod, weil sie leichtgläubig meinten, bulgarische Grenzer reiten mit dem Esel durch den Wald und trinken lieber Rakia als die Genze zu bewachen. In weitem Abstand von der Grenze gab es Schilder, die auf die Grenzzone hinwiesen, merkwürdigerweise meist zuerst in Deutsch und dann auf Bulgarisch. Der Grenzverlauf war - wie die Karte oben zeigt - durchaus verwirrend. Hinzu kommt, dass die geografische Struktur in der Gegend von Barutin, südlich von Dospat, so ist, dass man nicht ohne weiteres erkennen konnte, wo die wirkliche Grenze verläuft. Stacheldrahtzäune wurden sogar so aufgebaut, dass potentielle Flüchtlinge glauben sollten, dass sie die Grenze schon überwunden hätten. Steile Abhänge, Schluchten und dichter Wald, in dem Bären und Wölfe leben, behinderten die Orientierung. Für eine Karte wie die oben rechts hätte mancher Fluchtwillige damals vermutlich ein Vermögen bezahlt. Die Karte aus dem Jahr 1975 stammt übrigens aus dem Generalstab des Oberkommandos des Warschauer Vertrags und ist auf Russisch! Von insgesamt 4500 Fluchtversuchen in den Jahren 1965 bis 70 waren nur 265 bis 270 erfolgreich. Über 2000 Personen wurden festgenommen und teilweise zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Von einigen Jahren fehlen die Aufzeichnungen komplett, so dass viele Todesschüsse heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Ehemalige Angehörige der bulgarischen Grenztruppen verweigern kollektiv die Aussage. Ich kenne keinen Fall, wo sich in Bulgarien ein Grenzer gerichtlich verantworten musste. Ungerecht, aber durchaus nachvollziehbar, handelten die jungen Grenzer doch auf strikten Befehl, und manchem von ihnen kostete ein Zögern das Leben, denn Grenzverletzer waren damals oftmals bewaffnet. Ich weiß aus meiner Zeit als Korrespondent des Fernsehens der DDR in Bulgarien, dass auf Drängen von Berlin die Botschaft der DDR immer wieder bei den bulgarischen Stellen einen besseren Schutz der Grenze angemahnt hat. Man war auch gern bereit, “Erfahrungen beim Schutz der Staatsgrenze” zur Verfügung zu stellen. Dass bulgarische Grenzsoldaten für jeden getöteten DDR-Bürger eine Geldprämie erhalten haben, halte ich für spekulativ, aber auch nicht für vollkommen abwegig. Es ist schon ein beklemmendes Gefühl, an diesem Grenzstein zu stehen und zu wissen, dass in diesem Wald mancher seinen Wunsch nach Freiheit mit dem Leben bezahlen musste. Über die Idee, aus dem ehemaligen Vorposten 12 - bulgarisch “12та застава” ein Ferienobjekt zu machen, kann man daher durchaus geteilter Meinung sein. Es ist mitnichten ein Treffpunkt unverbesserlicher Altstalinisten. In Wahrheit treffen sich heute hier Wanderfreunde aus vielen Ländern, Jäger aus Bulgarien und Griechenland, Naturfreunde aller Couleur und nicht zuletzt Jeep-Safari-Fans zum gemütlichen Besammensein. Dass darunter auch ehemalige Grenzer sind, ist nur allzu natürlich. Wer kennt sich hier beser aus? Ljatschesar Dawidow aus Barutin hat das total vergammelte und abgefackelte Objekt vor ein paar Jahren erworben und daraus eine Perle des Tourismus gemacht. Zu erreichen ist der Vorposten 12 allerdings nur mit absolut geländegängigen Fahrzeugen oder zu Fuß, und das soll nach Aussagen des Besitzers auch so bleiben - Sonntagsausflügler mit Luxus-Limousinen unerwünscht! Die Herberge hat Platz für etwa 20 bis 25 Personen. Es gibt einen großen Aufenthaltsraum, eine Küche. Jedes Zimmer hat Dusche und WC - weitaus komfortabler als damals! Auf Wunsch engagiert der Chef einen Koch und Musikanten, die traditionelle bulgarische Volksmusik spielen, auch mit Dudelsack, der ja in den Rhodopen eine lange Tradition hat. Nachbarn, die sich über laute Musik beschweren könnten, gibt es zum Glück nicht. Möglicherweise fühlen sich die Bären ein wenig gestört. Sie kommen gelegentlich vorbei. Ljatschesar hat davon Videoaufnahmen. © Wilfried Jakisch 2014
...und von Bulgarien aus gesehen Stacheldraht am Zaun ist nicht so gefährlich wie in den Köpfen. Was viele nicht ahnten: Der Zaun hatte ein elektronisches Warnsystem. Steckdose in der Mitte des Bildes. Der Grenzverlauf ist unübersichtlich - wie diese Karte von 1975 aus dem Generalstab des Warschauer Vertrages zeigt. Viele Stacheldrahtzäune "gaukelten" nur die Grenze vor. Sie war in Wirklichkeit viel weiter weg. Der Grenzstein 208 von griechischer Seite... Der gemütliche Aufenthaltsraum An vielen Stellen zeigen Schilder den Weg zum "12. Posten" Grillplatz für Sommerfeste Rund um das gastliche Haus ist viel Platz für Sport und Spiel Zur Begrüßung gibt es einen "Grosdowa" - einen Traubenschnaps aus Peschtera. Die Stacheldrahtvorräte waren wohl doch etwas reichlich. Unser bulgarischer Freund Neven Severnjakov zeigt uns einen alten sowjetischen "GAS", der immer noch funktionsfähig ist. Fidele Musikanten spielen auf der "Rhodopska Gaida" - dem hier verbreiteten Dudelsack. Der große Stausee Dospat in den Rhodopen lädt zum Angeln, Bootfahren und im Sommer sogar zum Baden.
Internet: https://www.12zastava.com/ E-Mail: zastava_la4u@abv.bg Telefon: 00359 887654587 Ljatschesar Dawidow Preise: Zweibettzimmer 50 Lewa (25 Euro)/Nacht Dreibettzimmer 70 Lewa (35 Euro)/Nacht Kinder bis 2 Jahren frei von 2 - 12 Jahren 50 % Ermäßigung.