Es ist still geworden
um das alte Schusterhaus in Hiliomodi
Der linke Stuhl im alten Schusterhaus in Hiliomodi blieb seit
2013 leer. Jannis, der ältere der Brüder Papadás, ist 2013,
nur drei Monate vor seinem 100. Geburtstag, gestorben.
Hiliomodi ist ein Dorf nicht weit von Korinth, an der alten
Nationalstraße nach Argos gelegen. Das kleine alte
Häuschen will so gar nicht zwischen die modernen Bauten
passen. Es beherbergte die Schuhmacherwerkstatt der
Brüder Papadas. Die beiden rüstigen Rentner hielten die
Werkstatt seit vielen Jahren geöffnet, reparierten Sachen,
die jeder “moderne” Schuhmacher sicherlich ablehnen
würde. Jannis war mit 99 vermutlich der älteste
Schuhmacher Europas. Zwar war er in den letzten Jahren
nicht mehr ganz so aktiv, leistete aber seinem Bruder
Vangelis (90) immer Gesellschaft. Beide empfingen gern
Besucher, waren erfreut, wenn sich jemand für das alte
Haus, dessen Geschichte und ihre Arbeit interessierte. Hier
repariert Vangelis ein paar Schuhe, die kein noch so guter
Leim mehr zusammenhalten würde, die Sohlen waren
schlicht komplett vom Oberleder getrennt. Kein Problem für
Vangelis, er näht das Oberleder durch den Absatz wieder an,
verspachtelt die Nähte, malt sie schwarz an und fertig ist der
(neue) Schuh! Ihn ärgert die heutige Wegwerfgesellschaft, wo
solche Schuhe einfach “entsorgt” werden. Nun ist auch leider
Vangelis verstorben, er wurde fast 93 Jahre alt.
Ein Foto (oben) vom Juni 2012: Jannis (links) und Vangelis in
ihrer Werkstatt.
Beide erinnerten sich noch gut an die Zeit nach dem schweren
Erdbeben von Korinth, als ihr Vater das kleine Holzhäuschen
gebaut hat. Bei dem Beben am 22. April 1928 gab es
glücklicherweise nur wenige Todesopfer, weil die meisten
Bewohner an einem warmen Abend draußen waren, aber die
Stadt Korinth wurde zu 80 Prozent zerstört.
15.000 Menschen wurden obdachlos. Schlimm hatte es auch
die umliegenden Dörfer erwischt, in Hiliomodi waren viele
Häuser einfach in sich zusammengefallen. Jannis’ und
Vangelis’ Vater baute sofort das Holzhaus, das - im Gegensatz zu anderen Bauten - alle späteren Beben unbeschadet
überstand. Erst wohnte hier die ganze Familie, später wurde darin die Schusterwerkstatt eingerichtet. Während der
deutschen Besatzung wurde Vangelis unverzüglich zur Zwangsarbeit für die Wehrmacht verpflichtet - er musste deutsche
Soldatenstiefel reparieren... Bei einem sinnlosen Bombenangriff der deutschen Luftwaffe am 23. April 1941, der angeblich
im Dorf versteckten Partisanen galt, wurden viele Zivilisten getötet, darunter Jannis’ junge Frau und nicht weniger als neun
weitere Familienangehörige! Trotz des unermesslichen Leids, das Deutsche seiner Familie angetan haben, sprach Vangelis
immer noch ein wenig Deutsch, freute sich immer, dies beim Besuch von Deutschen anwenden zu können.
Jannis Papadas starb am 23. April 2013, auf den Tag genau 72 Jahre nach dem Tod seiner jungen Frau. Es fällt schwer, an
einen Zufall zu glauben. Vangelis starb 2016.
Die kleine Werkstatt befindet sich im Zentrum von Hiliomodi direkt hinter der Kirche. Hoffentlich findet sich jemand im Dorf,
der daraus ein kleines Museum macht.