Manolis Glezos: Wir betteln nicht - wir verlangen! Wer schuldet eigentlich wem die Milliarden?!
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Es ist der ewige Streit: Schuldet Deutschland den Griechen Reparationen aus dem zweiten Weltkrieg - oder schulden eher die Griechen den deutschen Banken die Milliarden? Zunächst einmal ist vorauszuschicken, dass es nicht gut ist, zwei unterschiedliche Sachlagen miteinander zu vermengen, wenngleich... aber dazu später. Der fast 90jährige Manolis Glezos, der am 31. Mai 1941 zusammen mit seinem Freund Lakis Santas die Naziflagge von der Akropolis holte und die griechische Fahne hisste, besuchte 2012 Nafplio. Glezos ist dafür bekannt, stets auch die unbequemsten Wahrheiten auszusprechen. Dies tut er seit Jahren auch in der sogenannten Reparationsfrage. Er ist Mitautor des “Schwarzbuches der Besatzung” (Bild links) , das nicht nur präzise die zahllosen Verbrechen deutscher Besatzer beschreibt, sondern auch die systematische ökonomische Ausplünderung Griechenlands durch die Deutschen. Er kommt zu dem Schluss, dass Deutschland den Griechen Dutzende Milliarden schuldet. Das ist keine Erfindung Glezos’, sondern wurde durch seriöse Berechnungen namhafter Ökonomen aus aller Welt mehrfach bestätigt. Dabei geht es ausdrücklich nicht um persönliche Forderungen griechischer Bürger beispielsweise aus Distomo oder Kalavrita, es geht um die gnadenlose Ausplünderung Griechenlands in der Zeit der Besatzung. Dies vollzog sich in mehreren Etappen. Erstens wurden große Mengen von Bodenschätzen - Bauxit, Mangan, Nickel, Molybdän, Schwefelkies u. a. beschlagnahmt und dauerhaft nach Deutschland “umgeleitet” - im Umfang von ca, 45 bis 50 Mio RM jährlich! Aber auch große Mineralöl- und Kohlenvorräte (10.000 Tonnen) sowie die wichtigsten landwirtschaftlichen Exportprodukte wurden weggeschafft, darunter 71.000 Tonnen Rosinen, 18.000 Tonnen Olivenöl, 7.000 Tonnen Baumwolle, 3.500 Tonnen Zucker, 3.000 Tonnen Reis und 305 Tonnen Seidenkokons. Das bedeutendste Beutegut aber war der Tabak. Unter der Regie des Reemtsma-Managers Otto Lose wurde die gesamte Ernte der Jahre 1939 und 1940 beschlagnahmt und abtransportiert. Es handelte sich um 85.000 Tonnen Orienttabake im Gegenwert von 175 Millionen Reichsmark, die für eine komplette Jahresversorgung mit Zigaretten ausreichten und dem Reichsfiskus ein Tabaksteueraufkommen von 1,4 Milliarden Reichsmark (RM) einbrachten. Für diese „Ankäufe“ stellten die Beute- und Erfassungskommandos der 12. Armee Lieferbescheinigungen aus, die Zahlungsversprechen für die Zeit nach Kriegsende enthielten, oder sie bezahlten mit „Reichskreditkassenscheinen“, dem Besatzungsgeld der Wehrmacht (Bild rechts oben), zum Preisstand von 1939. Dieses “Geld” jedoch war völlig wertlos, verfügte über keinerlei Deckung. Die Kollaborationsregierung von Tsolakoglou musste aber dieses Zahlungsmittel akzeptieren. Was blieb ihr also weiter übrig, als Geld zu drucken - der Anfang einer gigantischen Inflationsspirale. Es ging aber unaufhaltsam weiter. Griechenland wurden riesige Stationierungskosten aufgebürdet, einschließlich Proviantlieferungen für das Afrika-Korps von Erwin Rommel! Die Folge war der Hungerwinter von 1941/42. Es starben über 100.000 Menschen an Hunger und Folgekrankheiten. Die gigantische Ausplünderung dauerte faktisch bis zum Abzug der Deutschen Besatzungstruppen im Herbst 1944 an. Griechenland wurden dabei rein materielle Schäden in Höhe von mindestens 10, vermutlich aber bis zu 12 Milliarden US-Dollar zugefügt. Dies auf heutige Euro-Werte umgerechnet ergibt - einschließlich Zinsen - einen Betrag von ca. 160 Mrd. Euro! Noch Fragen, wer eigentlich wem Geld schuldet? Dabei ist hier die “menschliche Komponente” fast völlig außer Acht geblieben. Griechenland hat - wie kein anderes Land Europas - durch Krieg und Besatzung fast acht Prozent seiner Bevölkerung verloren! Dass die Verbliebenen dann über 50 Jahre von korrupten und skrupellosen Politikern ausgenommen wurden, ist die andere Seite derselben Medaille, denn allein Siemens hatte wohl mehr als das halbe griechische Parlament unter “Honorarvertrag”. Höchste Zeit also, darüber zu sprechen. Interessierte finden auf den folgenden Seiten ausführliche Informationen: Karl-Heinz Roth zur Reparationsfrage. (Daraus habe ich mir auch erlaubt, Fakten zu entnehmen.) http://de.indymedia.org/2011/03/302859.shtml Bewegendes Treffen nach über 30 Jahren. Ich hatte als Journalist Manolis Glezos 1982 das erste Mal getroffen und damals auch für das Fernsehen der DDR interviewt. Der alte Kämpfer ist sichtlich beeindruckt ob der Tatsache, dass ausgerechnet ich als deutscher Journalist eine Veranstaltung besuche, die von den Deutschen Reparationen fordert. Ich finde die deutsche Haltung zu dem Problem gelinde gesagt merkwürdig und halte die griechischen Forderungen durchaus für gerechtfertigt, zumal deutsche Firmen wie Siemens, Krupp, Reemtsma und andere nach der Aufnahme Griechenlands in den gemeinsamen Markt sehr viel dazu beigetragen haben, griechische Firmen schlicht und ergreifend plattzumachen. Glezos bedankt sich bei mir mit einem Exemplar des “Schwarzbuches” - natürlich mit Widmung. Danke Manoli! Ich bleibe dran! Manolis Glezos verstarb am 30. März 2020 im Alter von 97 Jahren.
Deutsche Panzer am Fuße der Akropolis
Zerstörungen in Kalavrita 1943